Wie können sich pädagogische Fachkräfte dem Thema ‘Vielfalt in Kinderbüchern’ im pädagogischen Alltagstrubel nähern?
Franziska Angermann: "Zunächst einmal möchte ich den Druck rausnehmen und ganz praktisch sowie prozess- und ressourcenorientiert an die Sache rangehen, denn eines ist klar: wir dürfen dazu lernen. Sobald wir uns bewusst gemacht haben, dass unsere Welt vielfältig ist und wir ein Teil dessen sind und somit ebenso vielfältig sind, ist schon der Großteil geschafft. Dann ergibt sich Stück für Stück eine Veränderung im Bücherregal und in der Buchauswahl. Dabei kann vor allem eine kontinuierliche Reflexion und Neubewertung von eigenen Leseerfahrungen der eigenen Kindheit helfen oder auch der Blick ins Bücherregal der Kita:
Welche Bücher finde ich dort vor?
Spiegeln die Bücher vielfältige Lebenswirklichkeiten und vor allem, die der Kita-Kinder wider?
Diese Bestandsüberprüfung kann nebenbei geschehen, beim alltäglichen Vorlesen oder als größere Aktion im Rahmen eines Teamtages oder einer Teamberatung. Sie werden überrascht sein, wie viele Bärchen- und Prinzessinnenbücher mit z. B. Stereotypen und Rollenklischees sich finden lassen.
Des Weiteren ist es hilfreich, zu schauen, welche Kinder die Kita oder den Hort besuchen.
Welche Sprachen und Dialekte werden gesprochen?
Welche Interessen, Bedürfnisse und Lebensrealitäten liegen vor?
Um dann gezielt nach Büchern zu schauen, die dies abbilden”.
Hast du konkrete Beispiele für die regelmäßige Beschäftigung mit Vielfalt?
Franziska Angermann: "Bundesweite Aktionstage wie zum Beispiel der bundesweite Vorlesetag bieten die Möglichkeit, sich regelmäßig mit dem Thema zu beschäftigen und Kinder sowie Eltern aktiv einzubeziehen.
Am Vorlesetag beteiligen wir uns bereits seit einigen Jahren und setzen so ein Zeichen für die Bedeutsamkeit des Vorlesens. Hierbei wird unser vielfältiges Team von Eltern, unserer „Vorleseoma“ und der benachbarten Grundschule unterstützt. Dabei lassen wir uns immer neue Formate einfallen. Einen festen Bestandteil haben wir jedoch: das mehrsprachige Vorlesen. Hierbei nutzen wir die vorhandene Mehrsprachigkeit im Team und in den Familien.
Dieses Jahr mussten wir leider kurzfristig aufgrund der Kontaktbeschränkungen umdisponieren. Dabei entstand jedoch Hervorragendes: Unsere Vorleseoma ließ uns mit unserer Unterstützung ein Vorlesefilm für unser Vorlesekino zukommen, eine Mutter sprach auf Französisch eine Geschichte ein und eine andere Familie lieh uns mehrere englischsprachige Bücher aus.
Des Weiteren nutzen wir zum Beispiel die kostenfreie Vorlese-App „Einfach Vorlesen!“ der Stiftung Lesen. Somit können wir immer wieder neue und abwechslungsreiche Geschichten auf dem Tablet vorlesen. Gemeinsam testen, ausprobieren, implementieren oder verwerfen – all das ist im Prozess zu mehr Vielfalt im Kinderbuch in der Kita erlaubt und vor allem wichtig!”